Wenn ich es recht bedenke, war „Drei Männer im Schnee“ das erste Buch von Erich Kästner, das ich besessen habe. Zumindest zu einem Teil, als es via Buchclub ins Bücherregal meiner Eltern einzog. Den Film mit Paul Dahlke schaue ich noch heute gerne, um mich aufzuheitern und so war die Premiere von „Drei Männer im Schnee“ im Schauspielhaus für mich ein Muss und ich wurde nicht enttäuscht.
Schon das Programmheft hat mich begeistert, enthält es doch neben einer Einführung in die Story einige Beiträge von und über Erich Kästner, sodass ich die Zeit bis zum Beginn gut überbrücken konnte. Und die scheinbar wahllosen Zitate aus Schlagern haben mich neugierig gemacht.
Als Kästner-Fan hat mir das Intro gut gefallen, bei dem der Anfang des Romans aus dem Off gesprochen und von den Hauptdarstellern in einem witzigen Bahnabteil pantomimisch gespielt wurde.
Dann wurden wir zunächst mitgenommen ins Haus von Geheimrat Tobler, der seinem Personal und seiner Tochter erklärt, dass er inkognito an einem Preisausschreiben seiner eigenen Firma teilgenommen und gewonnen hat. Vor allem plant er unter dem unverdächtigen Pseudonym Eduard Schulze den zweiten Preis, einen Aufenthalt in einem Luxushotel, anzunehmen. Martin Horn verkörpert diese Rolle auf einzigartige Weise, vielleicht deshalb, weil er mich irgendwie an Erich Kästner erinnert hat.
Wir wurden Zeugen, wie die Tochter das Hotel von dem Plan in Kenntnis setzte, ohne dass sie den Namen des Undercover-Millionärs nennen konnte und ahnten schon, dass das zu Verwicklungen führen würde.
Verwicklungen gab es im zweiten Bühnenbild zuhauf. Die Zuschauer konnten in das Hotel schauen wie in eine Puppenstube und verfolgen, wie der getarnte Millionär in einer kalten Dachkammer einquartiert wurde, während Dr. Hagedorn, der erste Preisträger, eine Suite bezog, in der alle Annehmlichkeiten auf ihn warteten. Matthias Kelle stellte den jungen arbeitslosen Preisträger genau so dar, wie ich ihn mit nach der Lektüre des Buches vorgestellt habe.
Als mondäne Damen rissen sich Bettina Engelhardt und Julia Wolff überzeugend um den jungen Dr. Hagedorn, weil sich längst herumgesprochen hatte, dass ein Preisträger ein verkappter Millionär sein würde. Hotelleitung, stimmig von Klaus Weiss in Szene gesetzt, und Portier, ein für mich zu klaumaukiger Henrik Schubert, taten ihr Bestes, um Eduard Schulze zu vergraulen. Mit wachsendem Unmut sahen sie, wie sich die beiden Preisträger anfreundeten und einen Gast in ihr Bündnis einbezogen. Dabei konnten sie nicht ahnen, dass jener Gast in Wirklichkeit der Diener des Geheimrats war, den Günter Alt überzeugend gab.
Die Voraussetzungen für eine quirlige Verwechslungskomödie waren also gegeben. Und quirlig wurde die immerhin 80 Jahre alte Story auch inszeniert. Dank der Drehbühne fand die Handlung mal im Hotel, mal in den Bergen statt, Statisten unterstrichen mit kleinen Choreografien die Stimmung und spontan eingespielte Schlager nahmen die Zuschauer mit, die wahlweise lachten, mitsummten oder irritiert waren. Ich gebe zu, ich gehörte zu den irritierten Zuschauern, aber amüsiert habe ich mich dennoch und vor allem gefreut über die kleine Hommage an den Film durch den Vor- und Abspann.
Gerne hätte ich gewusst, ob es in der Inszenierung eine Reminiszenz an die allererste Bochumer Aufführung des Stückes vor 80 Jahren (!) gab. Das hat mich bei der Lektüre des Programmheftes wirklich verblüfft, dass die Geschichte bereits knapp drei Wochen nach der Uraufführung 1934 in Bochum gespielt wurde. Eineinhalb Jahre, nachdem die Bücher von Erich Kästner verbrannt wurden. Erich Kästner hat den Stoff Anfang der 30er Jahre als Roman „Drei Männer im Schnee“ unter seinem Namen und als Theaterstück „Das lebenslängliche Kind“ unter dem Pseudonym Robert Neuner geschrieben. Der Roman war bis 1936 durch den Schweizer Verlag auch noch in Deutschland erhältlich. Die Uraufführung des Theaterstückes war am 7. September in Bremen unam 25. September gab es die Premiere in Bochum. Lange blieb den Nazis allerdings nicht verborgen, dass sich hinter dem Autor Robert Neuner der verfemte Schriftsteller Erich Kästner verbarg. Im Oktober wurden sämtliche Aufführungen verboten.
Der Besuch der Inszenierung ist also mehr als Unterhaltung, es entführt das Publikum auf vielschichtige Weise in eine andere Zeit. © Dr. Birgit Ebbert www.kaestner-im-netz.de