Jeder fängt klein an – Autorenalltag von Erich Kästner

In der letzten Woche habe ich für eine Recherche die Briefe Erich Kästners an seine Mutter wieder aufgeschlagen. Vermutlich habe ich sie zuletzt im Zusammenhang mit meiner Dissertation vor 20 Jahren gelesen – damals unter der Perspektive, was er zur Erziehung geschrieben hat.

Heute blieb mein Blick an einer Stelle hängen, an der er sich darüber beklagt, dass er noch 700 Mark Außenstände hat. Gleich ergab sich die Frage, wie eigentlich der Autorenalltag von Erich Kästner ausgesehen hat. Wir kennen ihn heute nur als erfolgreichen Autor. Aber auch er hat ja einmal klein angefangen und sich vielleicht genau die Frage nach der Akquise gestellt, die ich für mich für Birte Vogels Blogparade beantwortet habe. Also habe ich mich erneut in seine Briefe vertieft und fühle mich ermutigt, auf meinem Weg zu bleiben.

Am 9. Oktober 1926 – er arbeitete noch als Redakteur – klagte er, dass er sich noch nichts Ordentliches zum Anziehen leisten könne und auf die Zuwendungen seiner Mutter angewiesen war. Am 20. Januar 1930 kündigt er an, bei Frau Jacobsohn das Honorar für die amerikanische Lizenz von „Emil und die Detektive“ abzuholen, zu dem Zeitpunkt war er bereits freier Autor, sein erster Gedichtband „Lärm im Spiegel“ war vergriffen und es stritten sich mehrere Verlage um seine Rechte. Sein erster Verlag bot ihm sogar eine monatliche „Rente“, quasi einen monatlichen, verrechenbaren Vorschuss an, den er jedoch ablehnte, um sich nicht zum „Schuldner des Verlegers“ (30.11.1929) zu machen. Gibt es so etwas heute eigentlich noch, frage ich mich.

Zwischen Oktober 1926 und Januar 1930 ist viel passiert, vor allem hat Erich Kästner Manuskripte, Ideen, Geschichten, Artikel und Gedichte in die Welt geschickt. Manche wurden in Anthologien aufgenommen, andere wurden abgelehnt – ja, auch von Erich Kästner! Das erwähne ich extra, um mir und allen Autorenkollegen Mut zu machen, dass wir uns in guter Gesellschaft befinden. Unter anderem hat übrigens der List-Verlag seine Gedichte abgelehnt (vgl. 14.01.1927) und er hat an Wettbewerben teilgenommen, u. a. an einem „Preisausschreiben für Reclam“ (29.06.1927).

Um Geld zu verdienen verfasste er eine Broschüre für eine Buchausstellung (vgl. 29.06.1927) und schrieb auch schon mal Texte für eine Zeitungsbeilage ohne Vergütung (vgl. 09.12.1926).

Er schrieb so viel, dass er sich besonders über das Lob eines Kollegen freute, der ihm eine gute Qualität bescheinigte, obwohl er viel schriebe. (vgl. 12.11.1929) Dazwischen reiste er durch Deutschland, um PR für seine Bücher zu machen, unter anderem war er in Köln, um aus „Herz auf Taille“ zu lesen. Die Fahrkarte dorthin kostete 114 Mark, das Honorar, das ihm in Geldstücken ausgezahlt wurde, betrug 190 Mark. (vgl. 10.01.1930)

In seinen Briefen wird deutlich, dass er an jedem Tag der Woche arbeitete und viele Texte schrieb, ohne zu wissen, ob er dafür je bezahlt würde. Aber er hatte auch ein klares Ziel vor Augen: „Wenn ich 30 Jahr bin, will ich, daß man meinen Namen kennt. Bis 35 will ich anerkannt sein. Bis 40 sogar ein bißchen berühmt.“ (26.11.1926)

Ich finde, Kästners Beispiel macht Mut, es immer wieder zu probieren, auch wenn es heute wohl keine Verleger mehr gibt, die wie Frau Jacobsohn Belegexemplare persönlich vorbeibringen und in einer Stadt herumfahren und Buchhändler beschimpfen, bis sie ein bestimmtes Buch ins Schaufenster legen (vgl. 03.12.1929). Seine Aufträge hat Kästner übrigens vor allem durch sein Netzwerk erhalten, die Erkenntnis passt gut zu meinem Beitrag zur Blogparade! So stellte Erich Ohser den Kontakt zum List Verlag her (26.11.1926) und Bekannten mit einem „Atelier für Reklamefilme“, die einige Texte bei ihm in Auftrag gaben (15.08.1927). Hermann Kesten, Lektor bei Kiepenheuer, bescherte ihm die Beteiligung an einer Anthologie (31.08.1929) und eine Verabredung mit dem Verleger Kiepenheuer (22.11.1929).

Geschmunzelt habe ich bei einem Thema, das heute unter Autoren sehr umstritten ist: Rezensionen von Werken befreundeter Kollegen. Nicht nur hat Erich Kästner einen Teil seines Lebensunterhaltes mit Buch-, Film- und Theaterrezensionen verdient. Es kam auch vor, dass befreundete Autoren ihre Werke gegenseitig – mit Unterstützung des Verlages – rezensierten. (22.10.1929)

Es lohnt sich doch immer, auch in den Briefen großer Kollegen zu stöbern. Das war ein Teil meiner Erkenntnis-Ausbeute aus „Mein liebes, gutes Muttchen, Du!“ von Erich Kästner (Albrecht Knaus Verlag 1981). Ich bin gespannt, welche Ermunterungen und Anregungen die von Sven Hanuscheck unter dem Titel „Dieses Na ja!, wenn man das nicht hätte“ (Atrium 2004) veröffentlichten Briefe für mich bereithalten. © Dr. Birgit Ebbert www.kaestner-im-netz.de